Vorsicht, Unterdeckung! Die Illusion, mit den VSH-Mindestdeckungssummen gut abgesichert zu sein

Mit einer Mindestdeckungssumme von 1,5 Millionen Euro wähnen sich viele Versicherungsvermittler auf der sicheren Seite. Wie schnell – und wie unverhofft – es zu VSH-Schäden kommen kann, die weitaus höher sind und zum finanziellen Ruin führen, möchten wir Ihnen anhand von Praxis-Beispielen nahebringen.

 

Während in der EU die Vermögensschadenshaftpflicht als Pflichtversicherung für Versicherungsvermittler bereits zum 15. Januar 2005 eingeführt wurde, ließ sich Deutschland zwei Jahre länger Zeit: Erst am 22. Mai 2007, also vor genau 17 Jahren, wurde die Vermögensschadenshaftpflicht (VSH) auch hier für Versicherungsvermittler verpflichtend. In diesen 17 Jahren fand nur eine einzige Anhebung der Mindestdeckungssumme statt: von 1 Million Euro auf nun 1,5 Millionen Euro. Doch mit dieser Entwicklung hinkt die Gesetzgebung der Realität weit hinterher. Denn die heutigen Anforderungen an die Mindestdeckung wurden nach unserer Einschätzung nicht mit den immer wieder auftretenden Ausreißer-Schäden abgeglichen.

 

Was ist das Ziel der Vermögensschadenshaftpflicht?
Aus unserer Sicht ist die VSH eine doppelte Existenzsicherung: zum einen als Vermögens-Schutz für die Kunden, falls die Vermittler Fehler machen, aber natürlich auch für die Vermittler selbst, weil diese sonst für die Forderungen der Kunden mit dem gesamten Privatvermögen haften müssten.

 

In den kommenden VSAV Monitor-Ausgaben werden wir Ihnen VSH-Beispiele von Ausreißer-Schäden präsentieren, die ganz klar belegen, dass heute nicht nur im Gewerbebereich, sondern auch im Bereich der privaten Versicherungen Vermögenswerte vorhanden sind und Schäden entstehen können, die deutlich über 2 Millionen Euro liegen.

 

Beispiel 1: Die Studentenwohnung

Dies ist ein Schaden aus der Privathaftpflicht – eine Sparte, die ebenfalls einen Wandel erlebt hat: Heute sind Standard-Deckungssummen von 5, 10 und 20 Millionen Euro an der Tagesordnung. Doch in den Beständen der Vermittler gibt es noch Altverträge über lediglich 1 Million € Deckungssumme. Um so einen Fall ging es bei dem Familienvater, dessen mitversicherte Tochter als Studentin in ihrer angemieteten Wohnung in einem Studentenwohnheim lebt. Eines Tages vergaß sie das noch angeschaltete Bügeleisen – und ein Feuer brach aus. Dies verursachte einen immensen Brand- und Löschschaden: 19 der im Haus befindlichen Studentenwohnungen wurden unbewohnbar. Der Schaden belief sich auf über 3,4 Millionen Euro. Schnell war klar, dass die Privathaftpflicht mit 1 Million € Deckungssumme nicht ausreichte und auch das Vermögen des Vaters nicht groß genug war, um die restlichen 2,4 Mio. Euro des Schadens zu bezahlen. Da kam der Anwalt des geschädigten Vermieters auf die Idee, den Versicherungsmakler mit in Anspruch zu nehmen, weil dieser nach Ansicht des Anwalts verpflichtet gewesen wäre, die in seinem Bestand laufende Privathaftpflichtversicherung auf eine aktuelle Deckungssumme anzupassen. Da es auch kein Gesprächsprotokoll darüber gab, dass der Makler den Vater auf die Unterdeckung hingewiesen und letzterer einer Erhöhung der Versicherungssumme widersprochen hatte, bekam der Anwalt Recht!
 

Die Folge: Der Versicherer, bei dem die VSH lief, zahlte auf die 1 Million Euro der PHV einen Anteil des Schadens in Höhe der damaligen Mindestdeckungssumme von 1,3 Millionen Euro. Für die verbleibende Schadenssumme von 1,1 Millionen Euro hafteten der Vater und der Makler mit ihrem Privatvermögen – und gingen beide in die Insolvenz.

 

Dieser Fall zeigt uns Dreierlei:
1. Eine beständig aktualisierende Arbeit im Bestand bei den Kunden ist existenziell wichtig.
2. Wenn Kunden der Aktualisierung widersprechen, braucht der Makler darüber zwingend ein Protokoll.
3. Als Versicherungsmakler müssen Sie bei der eigenen Risiko- und Haftungsermittlung neben Ihren durchschnittlichen Risiken vor allem die mögliche Höhe von Ausreißer-Schäden bei Ihrer Tätigkeit im Blick haben.

Das Fazit: Wer sich gegen seine möglichen Ausreißer-Schäden bis zu 5 Millionen Euro absichert und deshalb womöglich 25 Jahre lang ca. 1.100 Euro im Jahr mehr ausgibt als für seine VSH mit der Mindestdeckungssumme, aber nie einen Ausreißer-Schaden erlebt, hat am Ende ca. 27.500 Euro dafür bezahlt, ruhig schlafen zu können. Wer hingegen auch nur einen einzigen Ausreißer-Schaden hat, der seine VSH-Deckungssumme deutlich übersteigt, zahlt dafür vielleicht mit seiner beruflichen und privaten Existenz.

 

 

Ralf Werner Barth

CoNav Consulting GmbH & Co.KG

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