VSAV: Von den Großen lernen

Die großen Finanzvertriebe freuen sich über steigende Umsätze und Einnahmen, die einzelnen Finanzberater und kleinen Gesellschaften dagegen darben immer mehr. Was läuft bei ihnen schief? Und: Wie kommen sie aus der Misere wieder heraus?

Die großen Finanzvertriebe freuen sich über steigende Umsätze und Einnahmen, die einzelnen Finanzberater und kleinen Gesellschaften dagegen darben immer mehr. Was läuft bei ihnen schief? Und: Wie kommen sie aus der Misere wieder heraus?

Die wirtschaftliche Situation der Finanzberatungsgesellschaften könnte unterschiedlicher kaum sein. Laut Cash.Online-Hitliste der Vertriebe freuen sich die großen Gesellschaften über ständig wachsende Provisionseinnahmen während immer mehr kleine Beratungsgesellschaften mit den Herausforderungen des Marktes zu kämpfen haben. Die drohende Provisionsdeckelung wird erneut tausende von Vermittlern und Maklern wirtschaftlich enorm belasten und manche sogar in den Ruin treiben. Ob eine weitere Marktkonzentration dann noch dem Verbraucherschutzgedanken dienlich ist, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt.

Die Entwicklung ist nicht neu. Seit langem gibt es beständigen Zuwachs bei Maklerpools und Haftungsdächern. Aber viele und gerade die guten Berater wollen sich ihre Unabhängigkeit erhalten. Richtigerweise spezialisieren sich immer mehr von ihnen auf bestimmte Produkt-Lösungen oder klar eingrenzbare Zielgruppen. Und doch für ein stärkeres Auftreten scheinen diese Maßnahmen alleine noch nicht auszureichen.

Messbare Synergie-Effekte erzeugen und Netzwerk-Vorteile ausnutzen

Dass die großen Gesellschaften von Erfolg zu Erfolg eilen, hat gleich mehrere Gründe: Einer liegt in deren Marktmacht. Ein zweiter in der Motivation, in einer starken Gemeinschaft integriert zu sein und nach klar vorgegebenen Konzepten zu agieren.

Kleinere Vertriebseinheiten wie Maklerbüros, Einzelkämpfer und Kleinvertriebe können daraus ableiten, ihre Stärken mit anderen zu vernetzen und dadurch die Kräfte zu bündeln. Dazu gehört auch, sich für die eigene Branche und damit für die eigenen Existenzgrundlagen zu engagieren. Eine Mitgliedschaft in beruflich ausgerichteten Verbänden hilft diesen bei der so wichtigen Lobby-Arbeit. Und: Durch das Ausnutzen der Vorteile generieren die Vermittler aus einer Verbandszugehörigkeit wertvolle Synergie-Effekte. Vermittler und Finanzberater müssen sich fragen lassen, welchen Sinn es in der heutigen Zeit noch macht, wenn mehrere einzelne Finanzberater mit ihren speziellen Leistungen in einem begrenzten Markt um die gleichen Kunden werben, die außerdem auch noch im Fokus der großen Strukturen oder der Online-Anbieter stehen. Das Gebot der Stunde für Einzelkämpfer und kleine Vermittlungs-Unternehmen sind aktive Netzwerk-Überlegungen zum Zusammenschluss von Investmentberatern, Versicherungsmaklern, Baufinanzierungsexperten, Generationenberater, Lohnkostenoptimierer und anderen mehr. Sprich: Allfinanz-Experten-Lösungen in dem ursprünglichsten, besten Sinne. Vergleichbar mit Anwaltssozietäten mit verschiedenen Rechtsgebieten.

Die Synergien liegen auf der Hand, vor allem die auf der Kostenseite und bei der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Insbesondere bei der Neukundengewinnung sind durch ein konsequentes Inhouse-Empfehlungsgeschäft die Synergien offensichtlich. Mitentscheidend ist noch ein weiterer Punkt: Jeder der Beteiligten hat Erfahrungen mit bestimmten Dienstleistern, sei es der Software-Anbieter, der Steuerberater oder die Werbeagentur – oder manch einer zieht bereits den einen oder anderen Nutzen als Mitglied eines Netzwerks. Und ganz nebenbei vereinfachen sich die Beratungs- und Abwicklungsprozesse.

Ein Beispiel für all das: Ein Berater ist auf die kommende DIN-Norm 77230 Defino-zertifiziert. Er nimmt also eine Basis-Analyse der finanziellen Situation von Privathaushalten auf. Daraus ergeben sich beim Kunden Lücken, die vielleicht nicht alle von dem Makler bedient werden können, sondern auch vom Kollegen der Generationenberatung oder dem Investmentberater. Die Analyse fließt in ein gemeinsam genutztes Kundenverwaltungsprogramm ein. Jeder, der diesen Kunden berät, hat im Zweifel einen verbesserten Haftungsschutz durch die Anwendung der DIN-Norm. Statt vier oder sieben Analysen braucht es also nur eine, und dafür auch nur eine Zertifizierung, ein Verwaltungsprogramm und jeder hat mehr Geschäft und weniger Haftungsrisiken.

Wie die verschiedenen Disziplinen im Innenverhältnis geregelt werden können, steht auf einem anderen Blatt. Das erledigen gute Anwälte und Notare. Dabei geht es um eine ganz pragmatische und faire Definition der Zusammenarbeit, ohne dass man sich ganz fürchterlich lieb haben muss. Aber im Außenverhältnis erfährt jeder der beteiligten Einzelkämpfer ein verbessertes Standing, ein größeres Auftreten und mehr Gewicht am Heimatmarkt. Und diese neue Rolle hilft auch bei der Positionierung gegenüber den Produktgebern. Wie bei den Großen. Am Ende eine Win-Win-Situation für alle.

Ralf Werner Barth ist Vorstandsvorsitzender der Vereinigung zum Schutz für Anlage- und Versicherungsvermittler e.V.

Dieser Artikel erschien am 11.09.2018 bei Cash.Online >>