Klimaschutzgesetz: Energetisch saniert, ökonomisch ruiniert?

Die Weltwirtschaft ist derzeit so fragil wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Die Weltpolitik hat Probleme – allen voran die Klimakrise – zu lösen. In diesem Beitrag setzen Martin Steininger, Chefvolkswirt der bulwiengesa AG, und Diplom-Kaufmann Hans Peter Wolter, Certified Financial Planner und European Financial Advisor sowie Beirat beim VSAV e. V., die Auswirkungen der geplanten energetischen Sanierung des Sektors Gebäude in Abgrenzung nach dem Bundesklimaschutzgesetz in den Kontext der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Immobilienbesitzern. Der Beitrag erschien erstmals in Kapitalmarkt intern.

Der marktwirtschaftliche Ansatz der energetischen Sanierung

Der Europäische Emissionshandel (EU-ETS( ist seit 2005 das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Mit ihm sollen die Treibhausgas-Emissionen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie reduziert werden. Der EU-ETS funktioniert nach dem Prinzip des sog. 'Cap & Trade'. Eine Obergrenze (Cap) legt fest, wie viele Treibhausgas-Emissionen von den emissionshandelspflichtigen Anlagen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Mitgliedstaaten geben eine entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die Anlagen aus. Eine Berechtigung erlaubt den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid-Äquivalent (CO2-Äq). Diese Berechtigungen können auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). So bildet sich ein Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen. Dieser Preis setzt Anreize bei den Unternehmen, ihre Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren. Am 18.12.2022 hat sich das politische Europa im Rahmen der sogenannten Trilog-Verhandlungen darauf geeinigt, dass der EU-ETS auf fast alle Sektoren ausgeweitet wird, insbesondere auf die Bereiche Gebäude und Verkehr. Damit sind circa 85 % aller europäischen CO2-Emissionen zukünftig an Zertifikate bzw. Emissionsrechte gebunden. Deren Menge sinkt kontinuierlich ab – entsprechend der europäischen Klimaziele.

Ein solcher Werkzeugkasten stellt also ein wirkungsvolles Rezept zur Zielerreichung dar: Maßnahmen zur energetischen Sanierung oder die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem eigenen Haus können sich finanziell lohnen, wenn andere Energien teurer sind. Die Entscheidung wird dann allerdings aus wirtschaftlichen Erwägungen getroffen.

Regulatorik als Gegenmodell

Sowohl die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zum Verbot des Einbaus von neuen Öl- und Gasheizungen in Wohngebäuden ab 2024 als auch die Pläne der EU, die Anforderungen an die Energieeffizienz im Rahmen ihrer Gebäuderichtlinie (EPBD) zu verschärfen, gehen einen anderen Weg. Sie stellen einen regulatorischen Eingriff in die Marktwirtschaft dar. Konkret sollen bis 2033 die Energieeffizienzklassen G, F und E auslaufen bzw. 45 % der Wohngebäude in Deutschland innerhalb von neun Jahren saniert werden müssen. Nach Berechnungen des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und ImmobilienunternehmenGdW würden sich die Kosten solcher energetischen Sanierungen für Deutschland auf 261 Mrd. € pro Jahr belaufen. In der Folge verlieren Bestandsobjekte in Abhängigkeit zu ihrer Energieeffizienzklasse in Verkaufsverhandlungen signifikant an Wert. Die Kosten werden auf den Verkäufer umgewälzt.

 

Die Fragen der Hauseigentümer

Je tiefer die Beschäftigung mit der Themenstellung energetische Sanierung für den Hauseigentümer geht, desto deutlicher stellen sich ihm Fragen über den eingeschlagenen Weg. Wenn auch die grundlegende Intention auf der Hand liegt, so wird die ökonomische Zielrichtung der angedachten Maßnahmen nicht klarer. Zumindest dann nicht, wenn die Einhaltung simpler wirtschaftlicher Grundsätze angemahnt wird. Ein mit umfassender Kompetenz ausgestatteter, gutmeinender europäischer Leader würde die notwendige Menge an CO2-Emissionen dort einsparen, wo das mit den geringsten Kosten möglich wäre.

Der Klimawandel ist die gesetzte Prämisse

Als Prämisse über allem steht: Der Klimawandel ist als Faktum vorausgesetzt. Dennoch lohnt es sich, die Perspektive zu erweitern. In der Taxonomie-Verordnung werden sechs Ziele genannt. Bei Ziel eins geht es um das Thema Klimaschutz und bei Ziel zwei um das Thema Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels. Beide Ziele sind mittels Steuerungsmechanismen hinreichend definiert, so dass im Sinne des Green Deals Kapital mit diesen Mechanismen in mehr oder weniger nachhaltige Investitionen gelenkt werden kann. Hierzu muss eine ganz banale Frage lauten: Wenn ein Euro nur einmal ausgegeben werden kann, stiftet dann diese Ausgabe den größtmöglichen Nutzen? Zur Beantwortung dieser Frage sind Grunddaten zu erheben und anschließend zu bewerten. Die Verlässlichkeit der Maße oder deren Interpretation bzw. Verwendung in der öffentlichen Diskussion, mit denen wir die Folgen, aber auch das Gegensteuern gegen den Klimawandel begründen, ist gerade an dieser Stelle von hoher Relevanz.

Die Grunddaten

Klimaziele sind nicht kostenfrei zu erreichen. Die betroffenen privaten Haushalte müssen entweder Eigenkapital einsetzen oder eine Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank ist das Geldvermögen der privaten Haushalte im vierten Quartal 2022 nach drei Quartalen des Rückgangs wieder angewachsen und betrug zum Jahresende 7.254 Mrd € . Das in Wohnbauten bzw. -gebäude investierte Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland wurde zum Ende des Jahres 2021 auf eine Summe von 5,5 Billionen € beziffert. Aus dem vorhandenen Geldvermögen oder einer entsprechenden Fremdfinanzierung soll die energetische Sanierung durchgeführt werden.

Bereits an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob ein bedeutender Teil der Kreditnachfrage an Grenzen der Vergabe im Bankenbereich stoßen könnte. Aufgrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie muss die Bank darauf achten, dass der Kreditnehmer in der Lage ist, die Kreditraten zu Lebzeiten regelmäßig zu bezahlen. Ob es möglich ist, die potentiellen Erben in den Kreditvertrag zu holen, mag jeder für sich beurteilen, der einmal Zeuge von Erbauseinandersetzungen war.

Unstrittig ist bei allen Beobachtern, dass sehr viel Geld in die Hand genommen werden muss. Die Beratungsgesellschaft EY hat einen Betrag von 3 Billionen € allein für die Sanierung von Wohngebäuden errechnet, wenn die Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus bis 2045 erreicht werden sollen. Eine Studie im Auftrag des Verbändebündnisses Wohnungsbau schätzt die jährlichen Kosten auf bis zu 150 Mrd. €. Bis 2045 – dem Jahr, in dem Deutschland klimaneutral sein will – wären das insgesamt 3,6 Billionen €. Hierbei wird angenommen, dass der Umfang, die Qualität und der Sanierungserfolg der energetischen Modernisierung (Sanierungstiefe) im Durchschnitt zu einem Effizienzhaus 115 führen. Das notwendige Investitionsvolumen entspricht 93 % des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland im Jahr 2022. Verschärft man den Sanierungserfolg und möchte im Durchschnitt zu einem Effizienzhaus 55 kommen, steigt das notwendige Investitionsvolumen auf bis zu 5,1 Billionen € an. Der Gegenwert entspricht 132 % des Bruttoinlandsprodukts in 2022. Betreffen würde das etwa 80 % des Gebäudebestandes, da nur um die 20 % neugebauter Immobilien den bis 2045 vorgegebenen Kriterien entsprächen. Der Betrag von 3,6 Billionen € sei dabei für die vorhandenen 43,1 Mio. Wohnungseinheiten in Wohn- und Nichtwohngebäuden sogar noch konservativ geschätzt

In der Folge stellt sich die Frage: In welchem Ausmaß hilft dieses eingesetzte Kapital bei den Zielen der Reduktion von CO2-Äquivalenten (CO2-Äq) im Gebäudesektor und wie effizient ist der Einsatz dieses Kapitals gerade dort.

Die Klimaziele im Gebäudesektor

Die Klimaziele im Gebäudesektor sind ehrgeizig. 1990 machten die Treibhausgasemissionen von Gebäuden noch 210 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (CO2-Äq) aus. Bis 2022 sank dieser Wert auf rund 112 Mio. Tonnen, der dem Sektor – inklusive Gewerbe- und Industriebauten – noch an Tonnen CO2-Äq zugeschrieben wurde. Der Subsektor 'Haushalte' ist für 80, der Subsektor 'Gewerbe, Handel und Dienstleistungen' für 31 Mio. Tonnen CO2-Äq verantwortlich. Der Sektor 'Militär' ist mit 1 Mio. Tonnen CO2-Äq – statistisch gesehen – vernach­lässigbar. In der Mittelfristprojektion bis 2030 zur Entwicklung und Zielerreichung der Treibhausgasemissionen in Deutschland sollen es knapp 67 Mio. Tonnen CO2-Äq sein. Was lösbar aussieht, wird bei näherer Betrachtung differenzierter – denn die Geschwindigkeit der CO₂-Reduktion nimmt ab. Viele Häuser sind schon einmal energetisch saniert worden, und die größten Einsparpotenziale könnten schon gehoben worden sein.

Immer geringerer CO2-Einspareffekt – trotz höherer Sanierungskosten

Bisher geht es bei Energieeinsparungen im Gebäudesektor nur langsam voran. In Deutschland wird pro Jahr weniger als 1 % des Wohngebäudebestands saniert. Das war nach einer Studie des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) aus 2018 der Mittelwert im Zeitraum 2010 bis 2016. Im Altbaubestand bis Baujahr 1978 mit überdurchschnittlichem Energieverbrauch lag die Gesamtrate bei jährlich 1,4 %. Lt. einer Studie des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen/GdW flossen bereits von 2010 bis 2018 mehr als 340 Mrd. € in energetische Modernisierungsmaßnahmen. Im gleichen Zeitraum stellte der GdW jedoch fest, dass der gemessene Raumwärmeverbrauch der privaten Haushalte kaum zurückging: 2010 hätten die Deutschen im Schnitt 130 Kilowattstunden (kWh) Wärmeenergie pro Qua­dratmeter und Jahr verbraucht. Acht Jahre später waren es immer noch 130 kWh. Immer höheren Sanierungskosten stand ein kaum messbarer geringerer CO₂-Einspareffekt gegenüber.

Doch steht der Gebäudesektor nicht alleinverantwortlich für die Emissionslast in Deutschland. 2022 wurden 746 Mio. Tonnen CO2-Äq freigesetzt – 15 Mio. Tonnen oder 1,9 % weniger als 2021. Seit 1990 sind die Emissionen in Deutschland damit um 40,4 % gesunken. Hauptsünder des Anstiegs war der Energiesektor mit einem Plus von 11 Mio. Tonnen CO2-Äq auf 256 Mio. Tonnen. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass zum zweiten Mal in Folge verstärkt Kohle und Gas zur Stromerzeugung genutzt wurden. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien konnte diese Entwicklung nicht kompensieren wie aus den aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes hervorgeht. Anders sieht es im Gebäudebereich aus. 2022 kam es zu einer Minderung der Emissionen von knapp 6 Mio. Tonnen CO2-Äq (-5,3 %) auf rund 112 Mio. Tonnen CO2-Äq. Trotz dieser Emissionsminderung überschritt der Gebäudesektor die erlaubte Jahresemissionsmenge gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz, die bei etwas über 107 Mio. Tonnen CO2-Äq lag. Die Zielsetzung für das Jahr 2030 beträgt 67 Mio. CO2-Äq. Die geplante Einsparung von 45 Mio. Tonnen CO2-Äq entspricht etwa 6,0 % der aktuellen Emissionen über alle Sektoren.

Diese einzusparende Menge an CO2-Äq im Gebäudesektor kann nun dem dafür einzusetzenden Kapital entgegengesetzt werden. Wie belastet die sich ergebende Summe das private Geldvermögen der Deutschen und welche Abschnitte der Vermögensverteilung sind am meisten betroffen?

Durchschnitt und Median des privaten Vermögens

Einen guten Einblick zu den finanziellen Verhältnissen der Privathaushalte in Deutschland liefern die Studien 'Private Haushalte und ihre Finanzen' der Deutschen Bundesbank. Laut Bundesbank-Studie (2023) hat das durchschnittliche Nettovermögen der Privathaushalte – also alle Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden – einen neuen Rekordwert von 316.500 € erreicht. Das waren 83.600 € mehr als bei der Auswertung in 2017. Es ist zu beachten, dass die Durchschnittswerte stark durch Extremwerte – insbesondere sehr hohe Vermögen weniger reicher Haushalte – beeinflusst werden. Der Blick auf den Medianwert ist daher aussagekräftiger: Im selben Zeitraum nahm dieser Wert von 70.800 € (2017) auf 106.600 € (2021) zu. Auch die zwischen 2017 und 2021 gestiegenen Immobilienpreise hatten einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Vermögen. Neben der Betrachtung des aggregierten Nettovermögens ist auch dessen Zusammensetzung von Bedeutung. Das Sachvermögen, vor allem der Eigentumsbesitz, determiniert die Höhe des Medianvermögens in Deutschland. Liquide Positionen im Finanzvermögen (u. a. Girokonten (3.000 €), Sparkonten ohne private Altersvorsorge (11.800 €) und Aktien (14.400 €)) nehmen nur überschaubare Prozentwerte in der privaten Portfoliostruktur der Haushalte ein.

Laut der Vermögensstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung/DIW aus 2020 besaßen die 90 % der Haushalte mit dem niedrigsten Nettovermögen (unterhalb der oberen 10 %) 2019 im Durchschnitt ein Geldvermögen von etwa 59.550 €. Dabei handelt es sich um eine Schätzung, die aufgrund von Stichproben und Modellierungen auf Basis von Haushaltsbefragungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) berechnet wurde. Der Medianwert des Geldvermögens der Gruppe lag 2019 bei etwa 17.400 €.

Die kolportierten Kosten für eine energetische Sanierung des Gebäudebereiches gehen von 30.000 € bis 60.000 € aus. Bei unterstellten 1.000 €/m2 prognostizieren Fachleute weitaus höhere Zahlen. Bezieht man die Verteilung der Geldvermögen in die Betrachtung eines Haushalts ein, so kann man für die energetische Sanierung von einem Verzehr des angesparten Geldvermögens bei einem Großteil der Bevölkerung mit Immobilienbesitz ausgehen! Wenn nun der Staat von Hilfestellung bei der Bewältigung der Aufgabe spricht, so kann er diese Belastung durch direkte Subventionen oder Erleichterungen bei der Kreditaufnahme leisten. Häufig fehlt in der Berichterstattung der Hinweis, dass es sich hierbei um Steuergelder handelt, die an anderer Stelle der Ausgabenseite fehlen; die Gelder können innerhalb der Haushaltspositionen umverteilt oder optional zukünftigen Generationen per Schuldenaufnahme 'vererbt' werden. Letzteres würde einer Nachhaltigkeitsstrategie in Bezug auf die Tragfähigkeit privater und öffentlicher Haushalte zuwiderlaufen.

Fazit: Viele Menschen sind verunsichert wegen der möglichen auf sie zukommenden Belastungen. Die sehr vermögenden Haushalte werden dies stemmen können. Völlig anders sieht es bei der Masse der Personen aus, die zwar über eine eigene Immobile verfügen, aber eher im Bereich des Haushalts-Medians zu verorten sind. Für sie kann die Entwicklung dazu führen, dass ein mühsam aufgebautes Kapital aufgebraucht wird. Trotz guter Motive bei der energetischen Sanierung, besteht das Defizit einer vernachlässigten Folgenabschätzung im Hinblick auf die einzusetzenden finanziellen Mittel. Daher bleibt die Skepsis, ob eine solch gewaltige Summe nicht an anderer Stelle einen deutlich höheren Effekt auf die Reduktion von CO2-Äq hätte. Woher soll das Eigenkapital für den Bau notwendiger neuer Wohnungen stammen, wenn große Teile des Geldvermögens in die energetische Sanierung des Altbestandes investiert wurden?

VSAV Berat Hans-Peter Wolter zusammen mit Martin Steininger, Chefvolkswirt der bulwiengesa AG

Hans-Peter Wolter, Mörscher Weg 4, 68766 Hockenheim 

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