Risikofrüherkennungssystem ist Pflicht

Um sich gegen unternehmerische Risiken abzusichern, sollten Gewerbetreibende diese erst einmal kennen. Dafür hat der Gesetzgeber ein Gesetz geschaffen, das nicht nur Unternehmer sondern auch deren Steuerberater dazu verdonnert, Vorbeugemaßnahmen zu treffen. Dieses Gesetz, das StaRUG, und seine Folgen erklärt Hans-Joachim Schlimpert als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in seinem Beitrag: „Risikofrüherkennungssystem ist Pflicht“. Herr Schlimpert ist Vorstand des Bundesverbandes der Sachverständigen für das Versicherungswesen. Ein spannender Artikel, der bei genauerer Überlegung auch viele Optionen für Gewerbemakler in sich birgt.

Unternehmer sollten für den Insolvenzfall gerüstet sein, um sich gegen Haftungsansprüche bei Nicht-Verschulden zu schützen. Dann nämlich stehen seine Steuer- und Unternehmensberater in der Pflicht. Der beste Schutz vor Insolvenz ist aber immer noch ein eigenes Frühwarnsystem.

Seit fast einem Jahr gilt der § 1 des Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetzes (StaRUG). Er gilt für haftungsbeschränkte Unternehmensträger, insbesondere auch für KMU. Darin ist geregelt, dass Geschäftsleiter einer juristischen Person fortlaufend über Entwicklungen des Unternehmens zu wachen haben, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden können. Erkennen sie eine solche Entwicklung, müssen sie geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen und den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen unverzüglich Bericht erstatten.

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zur Mitwirkung bei Risikowarnungen verpflichtet

Der Gesetzgeber stellt klar, dass die Frühwarnsysteme auch für Dritte gelten, die über relevante Informationen über den Schuldner verfügen, zum Beispiel Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die das Unternehmen ebenfalls auf negative Entwicklungen aufmerksam machen können.

Der Gesetzgeber greift dazu in seiner Gesetzesbegründung die bisherigen rechtlichen Pflichten der Steuerberater auf. Damit ist erstmals gesetzlich geregelt, dass die bisherigen Pflichten aus der BGH-Rechtsprechung jetzt Gesetzesrang haben. Mit der Neuregelung des Gesetzes bei Steuerberatern werden die bisherigen bestehenden berufsrechtlichen Verpflichtungen also übernommen. Somit hat der Steuerberater bei der Erstellung des Jahresabschlusses für einen Mandanten zu prüfen, ob auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihmsonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten vorliegen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen könnten. Sie haben den Mandanten darüber hinaus auf das mögliche Vorliegen eines Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnungund die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und der Steuerberater annehmen muss, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.

Der Gesetzgeber greift in seiner Gesetzesbegründung auch die bisherigen rechtlichen Pflichten der Wirtschaftsprüfer auf. Der Wirtschaftsprüfer hat nach bisherigen berufsrechtlichen Regelungen neben den Hinweispflichten bei einer Gefährdung der Fortführung des Unternehmens und dem damit verbunden Hinweis zur Insolvenzantragspflicht ebenfalls die Verpflichtung nach IDW S7 (Rn78) auf bestandsgefährdende Tatsachen hinzuweisen. Nach den Ausführungen des Gesetzgebers ergibt sich dies aus der Treuepflicht aus dem Mandatsverhältnis zur Erstellung eines Jahresabschlusses. Das Gesetz unterscheidet somit nicht zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Die Hinweis- und Warnpflichten gelten danach für alle.

Wer steht wann in der Haftung?

Es ist für den Jahresabschlussersteller eminent wichtig, dass das Unternehmen ein Risikofrüherkennungssystem im Sinne des StaRUG unterhält und dieses jährlich dokumentiert, um den Steuerberater aus der Haftung zu entlasten. Sofern dieses nicht erfolgt, muss der Steuerberater über die bestandsgefährdenden Tatsachen berichten. Also nicht nur oder erst wenn eine Fortführung des Unternehmens gefährdet ist oder eine Insolvenz droht, sondern frühzeitig, um dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, Gegenmaßnahmen im Sinne der EU Richtlinie und des Gesetzes einleiten zu können.

Das Gesetz sieht für Pflichtverletzungen der Geschäftsführer im Verschuldungsfall (fehlendes Risikofrüherkennungssystem) eine Haftung des Geschäftsführers zum Beispiel nach § 43 GmbHG wegen Verstoß gegen die Obliegenheitspflichten vor. Die Haftung tritt nicht ein, wenn der Geschäftsleiter die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dies ist von ihm im Streitfall darzulegen und zu beweisen. Hier muss im Fall von fehlenden Hinweis- und Warnpflichten (auch schon bei bestandsgefährdeten Risiken) durch den Steuerberater mit einem erheblichen Haftungsvolumen für den Steuerberater insbesondere in Insolvenzfällen gerechnet werden. Es ist gängige Praxis, dass die Geschäftsführer versuchen, sich über die Pflichtverletzung des Steuerberaters zu exkulpieren. Nicht zuletzt bieten diese Pflichtverletzungen der Berater auch im Insolvenzfall Haftungsansprüche zu Gunsten der Masse für den Insolvenzverwalter.

Hans-Joachim Schlimpert
Wirtschaftsprüfer Steuerberater
Öffentlich bestellter Sachverständiger für die Bewertung
kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) durch die IHK Koblenz

 

Kontakt:

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