Neues BGH-Urteil: Fehlender Hinweis auf Haftungsbeschränkung begründet persönliche Haftung

Wie wichtig eine konkrete Aufklärung der Kunden auch über die Haftung von Versicherungsvermittlern entnehmen Sie dem Beitrag von unserem langjährigen Netzwerkpartner Oliver Renner

Der Schein trügt: Lässt ein Unternehmen nach außen nicht klar erkennen, dass es haftungsbeschränkt ist, wie bei der Rechtsform einer GmbH, müssen Kunden davon ausgehen, dass eine persönliche Haftung vorliegt. Mit weitreichenden Folgen für Firmeninhaber und ihre Vertreter.

Man kann ja mal etwas vergessen. Aber über die Bedeutung der Rechtsform sollten sich Firmeninhaber doch eigentlich bewusst sein und diese auf Briefpapieren oder im Impressum eines Internetauftritts vermerken. Schließlich dient die Rechtsform auch dem eigenen Schutz und dem ihrer Vertreter*innen. Das aber scheint nicht jeder oder jede Gewerbetreibende verstanden zu haben, wie einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofes zu entnehmen ist. Was war passiert?

Der Kläger beteiligte sich im Jahr 2017 nach Beratung durch den Prokuristen eines Finanzvermittlers, die eine Unternehmensgesellschaft im Sinne von § 5a GmbHG war, an einem als Blindpool konzipierten Fonds. Dieser Fonds trat als Investor am Private Equity Markt auf und sollte sich mit dem eingelegten Kapital an kleineren und mittleren, nicht börsennotierten Unternehmen (Start-up-Unternehmen) in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein beteiligen. Zuvor hatte der Kläger seine bestehende Lebensversicherung verkauft (zum Preis von 80% des Rückkaufswerts). Aus diesem Erlös finanzierte der Kläger sein Investment an dem Blindpool.

Der Fonds wurde im Jahr 2017 liquidiert und der Anleger verlor das investierte Kapital in Höhe von € 41.000,00 und hat vergleichsweise auf noch offene Pflichteinlagen weitere € 9.500,00 bezahlt.

Der Anleger hatte den Prokuristen persönlich verklagt. Er behauptete, dass er eine Anlage zur sicheren Altersvorsorge wollte und er über das Totalverlustrisiko nicht aufgeklärt worden sei. Zudem hafte der Prokurist wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht die Berufung des Anlegers zurückgewiesen. Ob eine Falschberatung vorlag, hatten die Vorinstanzen offengelassen.

 

Die Klage scheiterte schon daran, dass vertragliche Ansprüche gegen den Prokuristen verneint wurden. Der Beratungsvertrag sei nicht mit dem Prokuristen persönlich, sondern mit der Finanzvermittlung UG zustande gekommen.
Eine Haftung als Vertreter sei nicht gegeben, da über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus kein besonderes persönliches Vertrauen zum Prokuristen bestand.
Letztlich sei auch keine Haftung nach § 826 BGB mangels Darlegung eines sittenwidrigen Verhaltens begründet.
Nach zugelassener Revision hat der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung wieder an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist nicht auszuschließen, dass der Prokurist der Finanzvermittlung UG dem Anleger nach Rechtsscheingrundsätzen gemäß §§ 311 Abs. 2 und 3, 179 BGB (analog) persönlich haftet. Der Prokurist hatte dem Anleger gegenüber die Haftungsbeschränkung der Gesellschaft nicht zum Ausdruck gebracht, vielmehr sogar weitgehend den Rechtsformzusatz „UG“ nicht geführt.

Es ist Aufgabe des Vertreters, sein Unternehmen korrekt zu bezeichnen

Wegen Verstoß gegen § 4 GmbHG haftet der Prokurist daher womöglich persönlich analog § 179 BGB, da er durch sein Zeichnen der Firma ohne Zusatz das berechtigte Vertrauen des Anlegers auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Es ist Aufgabe des Vertreters dafür zu sorgen, dass das Unternehmen, für das er handelt, korrekt bezeichnet wird. Dies gilt auch bei Unternehmensgesellschaften („UG“). Diese muss nach § 5a Abs. 1 GmbHG in ihrer Firma die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen. Wenn der zwingend gebotene Hinweis „haftungsbeschränkt“ fehlt, kommt eine persönliche Haftung des Vertreters aus Vertrauensgesichtspunkten in Betracht (vergl BGH-Leitsatzurteil vom 13. Januar 2022 – III ZR 210/20 –)

Ob der Anleger die wahren Haftungsverhältnisse kannte oder kennen musste und ob dies für den Anleger eine Rolle spielte, muss nunmehr das Oberlandesgericht aufklären.

Der Bundesgerichtshof hat zudem weiter darauf hingewiesen, dass in Bezug auf die Haftung wegen sittenwidriger Schädigung die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass von Seiten des Klägers hierzu nicht ausreichend substantiiert vorgetragen sei, dies nicht frei von Bedenken ist.
Es liege auf der Hand, dass Investitionen in Start-up-Unternehmen der Technologiebranche hoch riskant sind.

Fazit:

Wer als Vertreter für eine Gesellschaft auftritt sollte genau darauf achten, dass die vom Gesetz vorgeschriebenen Vorgaben zur Angabe der Haftungsbeschränkung in der Firmierung korrekt angegeben werden. Fehlen hierzu erforderliche Zusätze kommt eine persönliche Haftung des Vertreters aus Rechtsscheingrundsätzen in

Betracht. Man darf gespannt sein, wie nun das Oberlandesgericht in der Sache weiter entscheiden wird.

 

Kontakt:

Oliver Renner
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Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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