Schaffung eines Risiko-Frühwarnsystems ist Pflicht – für alle Unternehmen

Weitblick, das Antizipieren von Risiken, bietet Schutz. Für sich selbst und die Kunden. Auch wenn Regulierungen Freiheiten vermeintlich einschränken, so bringen Gesetze auch durchaus Sicherheit. Deshalb ist der Beitrag: „Schaffung eines Risiko-Frühwarnsystems ist Pflicht – für alle Unternehmen“ unseres Netzwerkpartners Andreas Schwarz vom Bundesverband der Sachverständigen für das Versicherungswesen e. V. (BVSV e. V.) so wichtig. Er zeigt auf, warum die die Vorschriften aus dem StaRUG zur verschärften Haftung von Geschäftsführern führen.

Das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (kurz StaRUG) hat bereits seine volle Wirkung entfaltet. Ein Gesetz, das alle Organe einer Gesellschaft kennen sollten. Einblicke in seine Anwendung in der Praxis.

Basierend auf der EU-Restrukturierungsrichtlinie 2019/2023 vom 20.06.2019 wurde die neue nationale gesetzliche Grundlage StaRUG geschaffen. Dessen Inhalte haben wir bereits in den vergangenen Monitor-Ausgaben in dem Beitrag: "Risikofrüherkennungssystem ist Pflicht" vom 10.12.2021 und in der Monitor-Ausgabe vom 10.02.2022 in dem Beitrag: "Verschärfte Haftung für Geschäftsführer" ausführlich erläutert. Sie bietet eine Möglichkeit, um Unternehmen zu restrukturieren und den Makel eines Insolvenzverfahrens zu vermeiden.

Nach § 1 StaRUG sollen die zur Geschäftsführung berufenen Organe einer juristischen Person a.) fortlaufend über die Entwicklung des Unternehmens wachen; b.) unternehmensgefährdende Entwicklungen erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen; c.) den zur Überwachung der Geschäftsleitung berufenen Organen unverzüglich Bericht erstatten. Nach einschlägiger Rechtsmeinung gilt dies auch für Organe anderer Rechtsformen.

Die Schutzbehauptung der Nichterkennung von Risiken von zur Geschäftsleitung berufenen Organen geht regelmäßig vor Gericht fehl.

So haben die Geschäftsführer eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber ihrer Gesellschaft und müssen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes walten lassen (§ 43 Absatz 1 GmbHG) – Analoges gilt für Vorstände von Aktiengesellschaften (§ 93 Absatz 1 AktG).

Grundsätzlich handelt es sich nicht um die Verlagerung des unternehmerischen Risikos von der Gesellschaft auf den Geschäftsführer.

Sondern vielmehr geht es um vermeidbare Verletzungen der für sein Amt geltenden Verhaltensregelungen, wodurch ein Schaden der Gesellschaft ursächlich zugefügt wird (Verweis § 276 BGB).

Dies bedeutet in der Endkonsequenz, für den Geschäftsführer eine solide Basis für eine sorgfältige Entscheidung zu schaffen, diese hinreichend und nachvollziehbar zu dokumentieren, um das Für und Wider einer Entscheidung abwägen zu können. Nur so kann eine solide Basis für die Berichterstattung gegenüber den Aufsichtsorganen gebildet und gleichzeitig die Basis für ein wirksames, gesetzlich gefordertes Risikofrüherkennungssystem geschaffen werden.

In der Vergangenheit galt die Implementierung eines Risikosystems für große Gesellschaften und in Abhängigkeit von Größe und Komplexität der Struktur – nun gilt dies für alle! 

Das heißt: die Vorgaben insbesondere zu einem Risikofrühwarnsystem und die damit verbundenen Pflichten müssen alle Unternehmen losgelöst von ihrer Größe erfüllen. Insbesondere im Vorfeld einer möglichen Insolvenz kommt es häufig zu Fehlentscheidungen, die durch Liquiditätsschwierigkeiten, Restriktionen, zeitliche Engen und Komplexitäten hervorgerufen und verstärkt werden.

Auch dem Gesetzgeber war und ist bewusst, dass die Leistungs- und Kenntnisfähigkeit von Organen begrenzt sind. Gleiches gilt für im Rahmen der Bilanzierung einbezogene Dritte wie Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte.

Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Einbezugs von Sachverständigen und deren neutraler Risikobewertungs- und Analysetools, um Einzel- und Komplexrisiken zu quanti- und qualifizieren sowie verständlich zu dokumentieren – oftmals in einem einfach verständlichen Ampelsystem.

Sachverständiger ist nicht gleich Sachverständiger!

Sachverständiger ist bis dato keine geschützte Berufsbezeichnung. Aus diesem Grund ist es wichtig, Sorgfalt bei ihrer Auswahl walten zu lassen und diese zu dokumentieren oder durch die Organe bestätigen zu lassen. Verbände wie der Bundesverband der Sachverständigen für das Versicherungswesen e.V. (BVSV e.V.) helfen dem Geschäftsführer und dem Dritten oftmals weiter oder können örtlich zuständige Sachverständige der Gewerbezentren benennen, die Risikoanalysen (Risk-Checks oder IRAS-Checks) durchführen.

D&O oder VSH reichen oftmals nicht

Oftmals wird versucht, das Risiko auszulagern und über eine D&O Versicherung abzufangen. Diese erbringt Leistungen in der Regel bei einer Fehlentscheidung der versicherten Organe.

Eine häufige Ausschlussklausel einer D&O Versicherung ist die der „Unterlassung“. Werden Handlungen unterlassen trotz besserer Kenntnis oder wenn die Kenntnis vorliegen müsste, kommt es regelmäßig zu einer Leistungsverwehrung.

Gleiches gilt regelmäßig für eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung des Steuerberaters, sofern er den gesetzlichen Vorschriften zum Beispiel nach § 102 StaRUG durch Unterlassen nicht entspricht.

Wie schnell dies passieren kann, ist anhand eines einfachen aktuellen Praxisfalls belegbar und nachzuvollziehen.

Am 01.01.2022 haben sich in der betrieblichen Altersversorgung wesentliche Veränderungen eingestellt.

So müssen Arbeitgeber einen Pflichtzuschuss nun auch für Altverträge in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionsfonds und Pensionskasse entrichten.

Hierbei handelt es sich um ein zwingendes Recht, wobei der Arbeitgeberpflichtzuschuss in Höhe von 15 Prozent des Entgeltumwandlungsbetrags und der tatsächlichen Sozialversicherungsersparnishöhe des Arbeitgebers begrenzt ist (§ 1a Absatz 1a BetrAVG).

Die einfache Lösung ist nur auf den ersten Blick hilfreich, oftmals jedoch mit vermeidbaren Fallstricken versehen.

Zur Erleichterung und der einfachen Umsetzung halber wurden seitens diverser Versorgungsträger Antwortschreiben an den Arbeitgeber versandt. Diese wurden entweder durch die HR-Abteilung und deren Leitende befüllt oder zur Erledigung an die Buchhaltungs-, Steuer- oder Wirtschaftsprüfungskanzlei überstellt.

In der Regel waren drei Auswahlmöglichkeiten vorgesehen:

  1. Pauschale Weitergabe in Höhe von 15 Prozent
  2. Ein frei definierter Betrag;
  3. Rücksprache mit Mitarbeiter.

15% pauschale Weitergabe ist nicht immer die Lösung.

Zunächst sollte eruiert werden, wie sich der ausgewiesene Zahlbeitrag zusammensetzt. Besteht dieser aus Entgeltumwandlung und freiwilligem Arbeitgeberbeitrag, ist der Arbeitgeberpflichtzuschuss folglich nur auf den Entgeltumwandlungsbetrag zu berechnen. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob es überhaupt eine Sozialversicherungsersparnis gibt und ob diese auch in Höhe von 15 Prozent vorliegt.

Sollte dem nicht so sein und wird dennoch ein Beitrag in voller Höhe geleistet, stellt der überschießende Beitrag regelmäßig einen freiwilligen Arbeitgeberbeitrag dar und unterliegt rechtlichen Vorschriften, so dass es in einem solchen Fall zu Ausgleichsansprüchen für die Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber kommen kann, die ohne zulässige objektive Unterscheidungsmerkmale eben nicht den freiwilligen Arbeitgeberzuschussanteil erhalten haben.

Dies kann zu einem signifikanten Risiko für das Unternehmen führen – folglich einer Behandlung nach § 1 StaRUG und gleichzeitig nach § 102 StaRUG einen unmissverständlichen Hinweis seitens der Steuerberater oder | Wirtschaftsprüfer bedürfen.

Weitere Anhaltspunkte im Rahmen des Arbeitgeberpflichtzuschusses für ein aktives Risikofrühwarnsystem leiten sich regelmäßig durch die breitgefächerte Berichterstattung zu der Leistungsfähigkeit der Versorgungsträger ab.

Gleiches gilt für Schreiben von Versorgungsträgern, in denen die Leistungshöhe reduziert und/oder deren Berechnungsgrundlagen zu Ungunsten des Anwärters im Vergleich zum Ursprungszusagedatum verändert werden.

Häufig finden sich Begleitschreiben, die dem Verantwortlichen mitteilen, dass eine Handlung aus versicherungsrechtlicher Sicht nicht notwendig sei. Dies stimmt in der Regel, wobei insbesondere im Fall der betrieblichen Altersversorgung nicht Versicherungsrecht die Grundlage und die Einstandspflichtigkeit des Arbeitgebers bildet, sondern vielmehr das Arbeitsrecht – folglich ist dies bei der Risikobewertung zu berücksichtigen.

All solche Risikobereiche lassen sich am besten mit externen Beratern beurteilen. Am besten schon, bevor die Risiken real werden.

Jan Höntzsch
Sachverständiger |bAV-Mediator der gerichtlich zugelassenen Rentenberatergesellschaft bVL Gesellschaft für betriebliche Versorgungslösungen mbH & Cie. KG in Kooperation mit DR. KREUZER Rechtsanwälte und in Kooperation mit Hendrik Kantlehner Dipl.-Kfm. | Sachverständiger des Bundesverbands der Sachverständigen für das Versicherungswesen e.V.
(BVSV e.V.) und Inhaber PrivateFinancePartners GmbH

 

Kontakt:

Bundesverband der Sachverständigen für das
Versicherungswesen e. V. (BVSV e. V.)
Andreas Schwarz (1. Vorsitzender)
Staufer Str. 13
67133 Maxdorf

Telefon: 0151 41806912
E-Mail: andreas.schwarz@bvsv-ev.de
Web: www.bvsv-ev.de